Arjen Lubach steht inzwischen auf der anderen Seite der Medienlandschaft. Nach zehn Jahren im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist er nun bei RTL tätig. Ich habe nicht alle seine Beitrage bei RTL gesehen. Aber, was ich gesehen habe, steht einen VPRO-Show in nichts nach.

Ausser – bei einer Folge. Und die handelt vom Fach Deutsch. 

Plädoyer für Deutsch

In der Sendung spricht Lubach über das sinkende Interesse an Germanistik-Studiengängen an den Universitäten. So sehr, dass die Tage vor dem 1. Mai an der Universität Utrecht die allerletzten sein werden, an denen man sich jemals für ein Germanistik-Studium dort einschreiben kann. Dass Lubach die Zahl der Studierenden auf 14 aufgestockt, macht es nicht viel besser.

So ehrenwert diese Aktion auch ist – das Argument ist nicht ganz stimmig.

Punkt 1: Die Aussage über breitere Studiengänge stimmt nicht

In der Sendung wird nur eine Ursache genannt: die Beliebtheit breiter angelegter Studiengänge. Zum Beispiel Politics, Psychology, Law and Economics (PPLE) in Amsterdam, den auch unsere Kronprinzessin belegt. Auch die in der Sendung genannten Medienwissenschaften werden erwähnt. Lubach scherzt, dass „nur ein paar eine Talkshow bekommen, aber alle anderen arbeitslos werden“. Das stimmt so nicht. Die niederländische Arbeitsagentur UWV hat gezeigt, dass gerade diese sogenannten Medienstudiengänge bessere Arbeitsmarktperspektiven haben als Sprachstudiengänge. Es gibt keine Studie, die belegt, dass Studierende der Germanistik besonders gute Berufsaussichten haben.

Doch – es gibt eine Ausnahme: Der Mangel an Deutschlehrkräften. Obwohl das Lehramtsstudium an Fachhochschulen der klassische Weg ins Bildungssystem ist, sind auch Hochschulabsolventen (wo) gefragt. Dass zeigt das UWV in mehreren, Studien. So wie dieses. Die Arbeitsagentur stellt sogar fest, dass lehramtsbezogene Sprachstudien eine Ausnahme unter den Sprachstudiengängen bilden. Auch das Duitsland Instituut komt met berichtet: „Es gibt einen eklatanten Mangel an Lehrkräften für Deutsch als Fremdsprache.“

Kurz gesagt: Nein, eine spezialisierte geisteswissenschaftliche Richtung wie Germanistik ist eine der weniger zukunftssicheren Studienentscheidungen – es sei denn, man möchte Lehrer*in werden. Das belegen die vorliegenden Studien.

Punt 2: Het ligt niet alleen aan bredere studies

Ein weiterer Grund ist die englische Sprache – zumindest im Berufsbildung. Englisch ist eine Weltsprache – warum also noch Deutsch lernen? In Ausnahmefällen spielen auch andere Sprachen wie Spanisch oder Chinesisch eine Rolle. Das freiwillige Angebot von Deutsch und die Beliebtheit naturwissenschaftlichter Fächerkombinationen (die kaum sprachlich orientiert sind) tragen ebenfalls dazu bei.

Vor allem aber handelt es sich um bildungsübergreifende Probleme. Seit der Corona-Pandemie sind Schüler*innen weniger motiviert. Zudem haben viele Jugendliche Leseschwierigkeiten – auch in ihrer eigenen Sprache, dem Niederländischen.

Punkt 3: Ein Studium dient nicht nur dem „Nutzen“ – besonders nicht in der Wissenschaft

In einer kapitalistischen Gesellschaft wird Bildung sofort in Zahlen und Beschäftigungschancen gemessen. Doch ein Studium – insbesondere ein geisteswissenschaftliches wie Germanistik – hat auch einen prinzipiellen Wert. Es bereichert intellektuell und kulturell. Gerade im Hinblick auf die deutschsprachige Welt muss man das nicht zweimal sagen. Wilhelm von Humboldt (Begründer des Bildungsbegriffs), Immanuel Kant, Friedrich Nietzsche (Also sprach Zarathustra) – kennt sie jemand? Ein Germanistikstudium vermittelt zudem historisches und sprachliches Verständnis. So kann man auch die Gegenwart besser einordnen.

Nicht umsonst haben viele Medienschaffende Geschichte, Philosophie oder Sprachwissenschaften studiert.

Fazit

Der RTL-Beitrag von Lubach ist eher schwach. Bemerkenswert ist, dass Arjen Lubach sowohl in seinen VPRO- als auch RTL-Sendungen wie ein Homo oeconomicus argumentiert. Auffällig – da er selbst geisteswissenschaftliche Studiengänge absolviert hat und einen Karriereweg verfolgt, der ökonomisch keineswegs „sinnvoll“ ist (den er aber hervorragend gemeistert hat)! Und das sogar gegen den Willen seines Vaters.

Das kann man machen – man kann trotzdem Recht haben. Aber wenn das Argument nicht ganz korrekt ist, wirkt es nicht glaubwürdig. Deutsch sprechen zu können, ist wichtig. Doch sachlich zu bleiben – und die ganze Wahrheit zu erzählen – ist noch wichtiger. Besonders, wenn man angehender Wissenschaftler ist.